Wettbewerb

Riskante Deals der Vergangenheit holen Deutsche-Bank-Chef ein

Frankfurt am Main | 20.08.2025 | Reuters

Die Deutsche Bank sieht sich mit einer millionenschweren Klage eines ihrer ehemaligen Investmentbanker konfrontiert. Die Klage lässt eine mehr als zehn Jahre alte Affäre wieder aufleben und problematisiert auch eine frühere Rolle von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing – damals ein aufstrebender Manager bei Deutschlands größter Bank. Ein ehemaliger Top-Banker des Instituts, Dario Schiraldi, verlangt laut einem von Reuters eingesehenen Gerichtsdokument 152 Millionen Euro Schadenersatz. Er wirft der Bank vor, sie habe durch ihr Vorgehen seinen Ruf geschädigt und ihm Verdienstmöglichkeiten geraubt. Dazu zähle auch eine interne Prüfung umstrittener komplexer Derivate-Geschäfte aus der Zeit der Finanzkrise, eine Untersuchung, die Sewing vor mehr als zehn Jahren in einer früheren Rolle bei der Bank leitete.

Für Schiraldi, der zusammen mit fünf anderen ehemaligen Bankern des Geldhauses in Italien nach einer erstinstanzlichen Verurteilung 2019 schließlich 2022 freigesprochen wurde, geht es darum, entgangene Einnahmen zurückzuerhalten und seinen Ruf wiederherzustellen. Eine mündliche Verhandlung in dem Fall vor dem Landgericht Frankfurt ist für Anfang Dezember angesetzt. Die Deutsche Bank weist die Vorwürfe zurück. Die Anschuldigungen seien haltlos. Durch den Versuch einer schweren Rufschädigung von Führungskräften solle Öffentlichkeit geschaffen werden.

Schiraldi blieb nach seinem Abgang bei der Deutschen Bank in der Finanzwirtschaft tätig und leitete unter anderem die Investmentgesellschaft einer Schweizer Familie. Er argumentiert, die Führung der Deutschen Bank habe damals versucht, ihre stillschweigende Zustimmung zu den damaligen riskanten, aber sehr lukrativen Geschäften zu verschleiern, als sich die globale Finanzkrise zuspitzte. Die Deutsche Bank habe zudem entscheidende entlastende Dokumente zurückgehalten, hieß es in Gerichtsdokumenten, die Reuters einsehen konnte. Die Deutsche Bank wies in ihrem Geschäftsbericht 2024 auf die Klage hin.

Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Alexander Wynaendts stellte sich in einer seltenen Stellungnahme hinter die Unternehmensspitze: „Die Fakten dieser schon lange andauernden Angelegenheit sind bestens bekannt und seit mehr als einem Jahrzehnt im Detail diskutiert worden“, erklärte er. „Der Aufsichtsrat unterstützt den Vorstand dabei, die Bank in diesem Rechtsstreit zu verteidigen.“ Einer mit der Sache vertrauten Person zufolge hat ein Vorstandsmitglied den Fall erneut geprüft und Dokumente und E-Mails aus der Zeit durchforstet. Es sei kein Fehlverhalten festgestellt worden.

Interne Untersuchung der Deals

Die damalige von Sewing geleitete interne Untersuchung begann 2013 und befasste sich mit Derivategeschäften aus dem Jahr 2008, die die Deutsche Bank mit der italienischen Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) abgeschlossen hatte. Sewing wurde 2013 Leiter der Innenrevision. Die MPS-Transaktionen wurden unter dem Namen „Santorini“ bekannt. Italiens Aufsicht nahm die Deals unter die Lupe, weil sie vermutete, die toskanische Traditionsbank habe damit eigene Verluste verdeckt. In Deutschland stand vor allem deren Bilanzierung im Fokus der Aufseher.

2014 übermittelte die Deutsche Bank die Ergebnisse ihrer internen Untersuchung an die italienische Zentralbank, die für die Aufsicht zuständig war, und machte das Deal-Team für eine „unzureichende und selektive Offenlegung“ verantwortlich. „Eine angemessene Handhabung (…) hätte dazu geführt, dass die Transaktionen entweder abgelehnt oder eskaliert worden wären“, teilte die Deutsche Bank der italienischen Zentralbank damals mit, wie aus von Reuters eingesehenen Präsentationsfolien hervorgeht.

Die Klage Schiraldis und die Forderung nach Entschädigung richten sich gegen die Deutsche Bank als Organisation. Ein zentraler Punkt von Schiraldis Anwälten ist, dass die interne Prüfung der Transaktionen durch Sewing und die Bank fehlerhaft gewesen sei. Sie habe ein vorherbestimmtes Ergebnis gehabt und sich nur auf einen Bruchteil der verfügbaren Dokumente gestützt. Später habe die Bank dann versäumt, die Sachlage richtigzustellen. Schiraldi und einige Kollegen seien zum Sündenbock gemacht worden.

Für Vorstandschef Sewing kommt die Klage zur Unzeit, bemüht er sich doch um einen Imagewandel der über viele Jahre skandalgeplagten Bank. Er hat das Frankfurter Geldhaus erfolgreich wieder auf Kurs gebracht und in die Gewinnzone zurückgeführt. Im März wurde Sewings Vertrag als Vorstandschef vorzeitig bis April 2029 verlängert. In einer ausführlichen Antwort auf Fragen von Reuters erklärte die Deutsche Bank, die Vorwürfe seien „falsch“, die damalige Prüfung sei gründlich und unabhängig gewesen und die beteiligten Führungskräfte hätten „ihre Verantwortung ordnungsgemäß wahrgenommen“. Ein Sprecher des Instituts erklärte: „Wir stehen zu den Kernergebnissen der Prüfung“.


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