20 Jahre GIZ

Verstehen heißt Zukunft gestalten

Gruppe und Branche | 10.01.2025 | Peter Gleber

Die Idee eines deutschen Genossenschaftsarchivs gibt es seit Jahrzehnten. Anfang des Jahres 2005 ging das Genossenschaftshistorische Informationszentrum (GIZ) dann an den Start – ein Jahr später wurde die archivische Onlinedatenbank GenoFinder geschaffen, die jetzt mit einer grundlegend neuen Software ausgestattet wird.

Seit seinem Bestehen beantwortete das GIZ unzählige Anfragen aus der Öffentlichkeit und der Wissenschaft und ganz besonders aus der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Im Zuge des 20. Jahrestags finden nun zahlreiche Veränderungen statt. Das GIZ nutzt ab Januar 2025 eine neue Datenbank und verfolgt eine veränderte Kommunikationsstrategie.

Zum Jahresbeginn startete das GIZ einen offiziellen Account auf der Social-Media-Plattform LinkedIn. Dort informiert es die Mitglieder und die Öffentlichkeit in regelmäßigen Abständen über die Arbeit der Stiftung. Neben kurzen Posts werden auch Artikelserien und Stellenanzeigen für Praktika gepostet.

Unter den Überschriften „GIZThema“ und „GIZGespräch“ sollen auf der Plattform Fachbeiträge und Interviews mit Experten aus dem Verbund und auch dem Bereich Unternehmensgeschichte veröffentlicht werden. Zudem werden einzelne Sammlungsobjekte und Bilder präsentiert. Grund für die forcierte Nutzung von LinkedIn ist das sich verändernde Nutzerverhalten der vergangenen Jahre.

Vergangenen Juni stiegen die Seitenaufrufe der GIZ-Homepage und der Onlinedatenbank Geno-Finder auf 5.000 an – dabei handelt es sich um das Zwanzigfache des Vormonats. Auch in den darauffolgenden Sommermonaten blieben die Seitenaufrufe auf diesem hohen Niveau. Als Ursache konnten die erhöhten Aktivitäten des persönlichen LinkedIn-Accounts des Autors identifiziert werden.

Es liegt die Vermutung nahe, dass Interessierte häufiger und regelmäßiger informiert werden wollen. Gleichzeitig scheinen kürzere Posts an Beliebtheit zu gewinnen, da die Nutzer in ihrem oft fordernden Berufsalltag diese auch nebenbei und unterwegs lesen können. Nicht zuletzt ermöglichen es die sozialen Medien außerdem, völlig neue – und vor allem jüngere Zielgruppen – für das Thema Genossenschaftsgeschichte zu begeistern.

GenoFinder 2.0 geht an den Start

Die Plattform GenoFinder in der Version 2.0 eröffnet neben den technischen Notwendigkeiten auch Handlungsoptionen für die nähere Zukunft. Werden bislang genossenschaftshistorische Daten gesammelt, gesichert und gefunden, so bieten sich zukünftig Möglichkeiten, einen digitalen Erlebnisraum zu schaffen, in dem die User Genossenschaftsgeschichte erleben können. Über Vertiefungsebenen können Schnittstellen zur bisherigen Version der Plattform – insbesondere zu den Metadaten und zu den digitalisierten Akten und Sammlungsobjekten – geschaffen werden.

Zudem bietet künstliche Intelligenz mittlerweile die Möglichkeit, erfasste Materialien zu recherchieren, zu bearbeiten und sinnvoll einzuordnen. Die Datenbank wird durch digitale Kommunikation ergänzt. Hier können sich Mitarbeiter aus den Genossenschaften über archivische und historische Themen austauschen und sich gegenseitig bei der Dateneingabe helfen.

Die bisherige historische Onlineplattform ist in die Jahre gekommen. Das GIZ entwickelte sie im Jahr 2005 auf Basis einer Lotus-Notes-Datenbank für mittelständische Berufe. Darin können bislang mehr als 97.000 Materialien recherchiert und deren Standort ermittelt werden. Da dem GIZ mittlerweile immer mehr Schriftgut und Material in digitaler Form – so genannte Digital Born Records – angeboten werden, ist eine Erweiterung der Datenbank durch eine digitale Archivierungsmöglichkeit notwendig. Derzeit können auf der Plattform lediglich Metadaten durchsucht werden.

Um diese Optionen in Zukunft anbieten zu können, ist es notwendig, die bisherige Verbundlösung der Plattform aufrechtzuerhalten. Die Verbunddatenbank eignet sich für die FinanzGruppe, sie passt aber auch zu den ländlichen und gewerblichen Genossenschaften. Deshalb hat sich die DZ-Bank-Stiftung zur Förderung des ambitionierten Projekts entschlossen.

GenoFinder 2.0 ist eine für Museen, Archive und Bibliotheken geeignete professionelle Software auf der Basis von Faust 10, entwickelt von Land Software aus Oberasbach in Bayern. Die Software wird beim BVR gehostet, in dessen Rechenzentrale auch die zentralen Speichermedien betrieben werden. Die genossenschaftlichen Anwender können mit den Zugangsdaten das Datennetzwerk verwenden, ohne sich um Speicherkapazitäten und Software kümmern zu müssen. Für eine Verbundlösung spricht der unterstützende Charakter eines gemeinsamen Onlineportals für kleinere und mittelgroße Genossenschaften und für die Gedenkstätten der genossenschaftlichen Ideengeber in Delitzsch und im Westerwald.

Entstanden ist GenoFinder aus einer Sammlung von Metadaten der Bibliothek, der Fotosammlung und des Dokumentenarchivs der DZ Bank, die bis in die Zeit um das Jahr 1980 zurückreicht. Das GIZ transformierte die Datenbank in ein genossenschaftliches Netzwerk, in das seitdem Materialien des BVR, des Deutschen Raiffeisenverbands und der PSD Banken einfließen. Den größten Anteil am Primärbank-Content haben die Volksbank Mittelhessen und die Volksbank Wolfenbüttel. Aus Österreich kommen die Daten der Schriftensammlung des Forschungsvereins Entwicklung und Geschichte der Konsumgenossenschaften (FGK) in die Datenbank.

Für den gesamtgesellschaftlichen Nutzen des GIZ stellt die Plattform einen zentralen Baustein dar, denn die Recherche auf der Onlineplattform ist kostenlos und dient allen. Das GIZ ist ein kostenloser Anlaufpunkt für viele hundert Ratsuchende pro Jahr.

Vielfältige Aufgaben

Im ersten Berichtsjahr 2005 bearbeitete die Geschäftsstelle 123 Anfragen, im vergangenen Jahr waren es mehr als 800. Neben der Anzahl haben sich auch die Mittel der Kontaktaufnahme verändert. War das Telefon im Jahr 2005 das wichtigste Kommunikationsinstrument, so ist es heute die E-Mail. Im Jahr 2024 richteten sich erstmals Nutzer über LinkedIn an das GIZ. Doch es gibt auch immer noch den handgeschriebenen oder mit der mechanischen Schreibmaschine erstellten Brief.

Eine Kundin einer bayerischen Raiffeisenbank wandte sich mit einem besonderen Anliegen an das GIZ: Sie sei umgezogen und könne mit ihrem Sparbuch bei der neuen Raiffeisenbank kein Geld mehr abheben. Man habe ihr gesagt, sie müsse damit an den alten Wohnort. Weil dafür Fahrtkosten anfielen, bat sie das GIZ um die Erstattung von etwa drei Euro. Der Dame wurde erklärt, dass unsere Gruppe ein Verbund eigenständiger Kreditgenossenschaften ist.

Wer sich an das GIZ wendet, der hat in der Regel ein sehr spezielles Interesse. So genannte „Frequently asked Questions“ von Kollegen und Experten gibt es sehr selten. Dabei kommt schnell das Bild auf, die Beratung funktioniere wie eine Suchmaschine, die in Sekunden die gewünschte Antwort generiert. Häufig müssen Anfragen aber mit einem erheblichen Aufwand recherchiert werden.

Zitate unserer Ideengeber Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen können bereits durch eine Onlinerecherche gefunden werden. Die Frage nach der ältesten Kreditgenossenschaft ist jedoch ein Beispiel, das nicht so einfach zu beantworten ist. Es gibt nun mal nicht die eine Wurzel, aus der die Genossenschaftsbanken entstammen. Die FinanzGruppe ist eher ein vielstämmiges Gehölz als ein mächtiger Baumriese – ein vernetztes Ökosystem, in dem man sich auskennen muss.

Die älteste heute noch bestehende Primärbank ist die Volksbank Hohenlohe, die im Jahr 1843 als Öhringer Privatspar- und Leihkasse startete. Älter ist nur die Volksbank im Harz, sie ist durch eine Fusion Rechtsnachfolgerin der 1825 gegründeten Privatsparkasse zu Lerbach, die auf einer vormodernen Eisensteiner-Gnadenkasse fußt. Die älteste auf Schulze-Delitzsch zurückgehende Bank ist die Volksbank Delitzsch, zwei Jahre älter ist die VR Bank Fläming-Elsterland in Luckenwalde, die 1847 als Handwerkerverein entstand. Fünfzehn Jahre später entstand im Westerwald die Darlehnskasse zu Anhausen als Vorläuferin der Raiffeisenbank Neustadt an der Wied.

Das Leitbild der FinanzGruppe ist die Stärkung der rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Genossenschaftsbanken vor Ort in einem Verbund. Das GIZ war im Jahr 2012 und 2022 Mitherausgeber zweier Jubiläumsbooklets, die eine gemeinsame Erinnerungskultur von Primärinstituten, Verbänden, Zentralbanken und Verbundunternehmen gestalteten.

Wichtige Themen sind auch die Historie der Marke „Volksbanken Raiffeisenbanken“ und der Sicherungseinrichtung. Zahlreiche Fachpublikationen in der BankInformation schaffen Sichtbarkeit für das Thema Genossenschaftsgeschichte. Seit dem Jahr 2022 präsentiert das GIZ auf der letzten Seite der jeweiligen Ausgabe das „Fundstück des Monats“.

Auch in der Wissenschaft ist das GIZ unterwegs. Fachbeiträge erscheinen in bankfachlichen, wirtschaftshistorischen und genossenschaftshistorischen Zeitschriften.

Zum zwanzigsten Jahrestag der Wiedervereinigung suchten Pressekollegen aus der FinanzGruppe vergeblich nach historischem Material. Um diese Lücke zu füllen, initiierte das GIZ zwei Zeitzeugenprojekte, die von der DZ-Bank-Stiftung gefördert wurden. Befragt wurden zum einen 90 Mitarbeiter aus 25 west- und ostdeutschen Kreditgenossenschaften und weitere Mitarbeiter aus Zentralbanken, Verbundunternehmen, Regionalund Spitzenverbänden. Dabei wurden nicht nur die Eindrücke von Zeitzeugen dokumentiert, sondern auch historisches Material aus der Wendezeit gesammelt. Mittlerweile ist aus dieser spannenden Quellensammlung eine Doktorarbeit sowie eine Vielzahl kleinerer Publikationen entstanden.

In der Wissenschaft aktiv

Die fachliche Förderung junger Menschen ist ein wichtiges Ziel des GIZ. In den vergangenen Jahren sind neben Promotionen einige Master- und Bachelorarbeiten entstanden. Das GIZ ist eine offizielle Ausbildungsstätte für Studierende der Fachhochschule Potsdam. Praktikanten kommen jedoch aus dem ganzen Bundesgebiet. Seit seinem Bestehen haben 70 Personen ein Praktikum abgeschlossen, zwei davon sind heute Mitarbeiter der FinanzGruppe.

Im Wissenschaftlichen Beirat des Instituts für Bank- und Finanzgeschichte vertritt das GIZ die FinanzGruppe ebenso wie im Vorstand der Deutschen Hermann Schulze Delitzsch Gesellschaft und im Arbeitskreis Berlin-Brandenburg der Vereinigung der Deutschen Wirtschaftsarchivare.

In vielen genossenschaftlichen Projekten steckt unsichtbar die Fachexpertise des GIZ, es berät neben dem BVR auch den Deutschen Raiffeisenverband und die gewerblichen Genossenschaften.

Treuhänder der Stiftung GIZ ist der BVR, in dessen Aufgabengebiet auch die Geschäftsführung liegt. Weitere Stifter sind die DZ Bank und die ADG. Stiftungszweck ist laut Satzung: die Sammlung und Erhaltung historischer Quellen und Literatur des Genossenschafts- und des Bankwesens, insbesondere der Mitglieder des Treuhänders, sowie deren Erschließung und Zugänglichmachung für die Allgemeinheit zu wissenschaftlichen Zwecken.

Die Idee eines zentralen Genossenschaftsarchivs für die heterogenen Graswurzeln der Selbsthilfe ist viele Jahrzehnte alt. Im Jahr 2002 nahm sie Fahrt auf und im Oktober 2003 setzte das Netzwerktreffen von Vertretern genossenschaftlicher Spitzenorganisationen, Genossenschaftswissenschaftlern, genossenschaftshistorischen Praktikern und einem Kollegen vom Deutschen Sparkas-sen- und Giroverband die Leitplanken für das GIZ. Im September 2004 trat die Stiftungssatzung in Kraft und am 3. Januar 2005 ging die Geschäftsstelle an den Start.

Vier Jahre später gründete sich der Förderverein zur Stiftung GIZ, die Geschäftsführung obliegt dem DGRV. Mitglieder sind neben Privatpersonen vor allem die Volksbanken und Raiffeisenbanken. Des Weiteren gehören die Spitzen- und Regionalverbände, die Verbundunternehmen, die DZ Bank sowie genossenschaftswissenschaftliche und historische Einrichtungen zu den Fördermitgliedern.

Für die Zukunft bestens aufgestellt

Insgesamt kann das GIZ seit seiner Gründung auf zwei Jahrzehnte erfolgreiche Arbeit zurückblicken und sieht sich auch für die Zukunft bestens aufgestellt. Die Dienste werden auch im kommenden Jahr all jenen zur Verfügung gestellt, die als Genossenschaften Ihre Geschichte aufarbeiten wollen oder sich einfach für Genossenschaftsgeschichte interessieren. Ohne die nachhaltige Unterstützung der Mitglieder des Fördervereins zur Stiftung GIZ ist historische Arbeit für die FinanzGruppe nicht möglich. Ganz nach dem Motto der Ideengeber: Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele.

Stiftung GIZ
Peter Gleber in der GIZ-Geschäftsstelle im Jahr 2008
Stiftung GIZ
Im Genossenschaftshistorischen Informationszentrum liegt Geschichte
Privat
Peter Gleber

Dr. Peter Gleber ist wissenschaftlicher Leiter des Genossenschaftshistorischen Informationszentrums (GIZ) in Berlin.



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