Österreichs Raiffeisen Bank fährt Geschäft in Russland zurück
Beim österreichischen Geldhaus Raiffeisen Bank International (RB) zeigt sich in Russland erstmals ein deutlicher Geschäftsrückgang. Im zweiten Quartal schrumpfte der Gewinn in dem Land, das wegen des Ukraine-Kriegs vom Westen mit Sanktionen belegt wurde, auf 384 Millionen Euro nach 534 Millionen Euro, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Quartalsbericht der Bank hervorgeht. Russland trug damit noch 35 Prozent zum operativen Ergebnis der RBI bei. Im Jahr davor belief sich der Beitrag noch auf 45 Prozent. Bei der Betrachtung des Halbjahreszeitraums zeigt sich ein anderes Bild: In den ersten sechs Monaten erzielte die RBI noch mehr als die Hälfte ihres Konzerngewinnes von 1,24 Milliarden Euro in Russland. Gewinne abschöpfen aus Russland kann die Bank aber derzeit wegen der Sanktionen nicht. An der Wiener Börse verloren die RBI-Aktien 3,4 Prozent.
Aus einer Unternehmenspräsentation zum Halbjahr geht hervor, dass die Tochter in Russland, für die die Konzernmutter in Wien einen möglichen Verkauf oder eine Abspaltung prüft, mehr Mitarbeiter und mehr Kunden zählt als noch vor einem Jahr. Die russische Tochterbank habe rund 700 Mitarbeiter eingestellt und zähle nun 9897 Beschäftigte. Das Kreditvolumen gemessen in Rubel sei seit Kriegsausbruch um 35 Prozent reduziert worden, hieß es. Per Ende Juni waren rund 7,1 Milliarden Euro an Krediten vergeben, während es im Jahr davor noch 13,7 Milliarden Euro waren. Die Anzahl der SWIFT-Transaktionen in Euro sei zudem mittlerweile geringer als vor Kriegsbeginn. Allerdings stieg die Zahl der Kunden auf 3,2 Millionen nach 2,9 Millionen.
Ein Banksprecher erklärte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters, dass der Großteil der neu eingestellten Mitarbeiter auf den IT-Bereich entfalle. Dies sei notwendig, da sich westliche IT-Dienstleister aus Russland zurückgezogen hätten und die Bank bei einem möglichen Verkauf oder einer Abspaltung IT-autark sein müsse. Zu den Kunden wollte sich der Sprecher nicht konkret äußern. Er verwies aber darauf, dass Retailkunden in Russland nicht abgelehnt werden dürfen und die Bank Basisdienstleistungen wie etwa ein Zahlungsverkehrskonto anbieten müsse. Diese Vorgabe gelte hingegen für das Kreditgeschäft nicht.
Die RBI ist seit 30 Jahren in Russland aktiv und dort die größte westliche Bank. Wegen des umstrittenen Geschäfts, das bisher ihr größter Ertragsbringer war, steht die Bank unter Druck von Investoren, Bankenaufsicht und US-Sanktionswächtern. Seit Kriegsausbruch in der Ukraine prüft Bankchef Johann Strobl die Optionen. Ende März erklärte er erstmals, man verfolge einen möglichen Verkauf oder eine Abspaltung des Geschäfts. Konkrete Schritte sind seit dem nicht bekanntgegeben worden. Die Bank wiederholte frühere Aussagen, sie arbeite weiterhin mit Hochdruck an den zwei Optionen Verkauf oder Abspaltung, die zu einer Entkonsolidierung aus der RBI führen würden. „Während wir an diesen komplexen Optionen arbeiten, setzen wir die Reduktion des Geschäfts in Russland konsequent fort. Diese Reduktion zeigt sich nun auch in abnehmenden Ergebnisbeiträgen aus Russland“, sagte Strobl.
Die Nachrichtenagentur Reuters hatte im Juni erfahren, dass die RBI mit ihren Ausstiegsplänen nur schleppend vorankommt. Der vom Bankchef genannte Zeitplan dürfte kaum zu schaffen sein: Im Mai hatte der Manager einen möglichen Spin-off bis Ende September in Aussicht gestellt – dafür wäre eine außerordentliche Hauptversammlung im August nötig.
Insgesamt verbuchte die RBI im zweiten Quartal einen Gewinneinbruch um mehr als die Hälfte. Unter dem Strich sank das Ergebnis auf 578 Milliarden Euro nach 1,27 Milliarden Euro. Die RBI liegt damit etwa in den Erwartungen. Analysten hatten im Schnitt mit einem Nettogewinn von 584 Millionen Euro gerechnet. Der Hauptgrund für den Rückgang sei, dass im Vorjahr der Verkauf der bulgarischen Tochterbank in Höhe von 453 Millionen Euro positiv zu Buche geschlagen hatte. Zudem musste die Bank nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu den Schweizer-Franken-Krediten in Polen nun höhere Rechtsvorsorgen vornehmen.