Ifo-Index sinkt erneut - "Deutsche Wirtschaft gerät immer stärker unter Druck"
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich auch im September überraschend stark verschlechtert. Das Ifo-Geschäftsklima als wichtigstes Barometer für die Konjunktur in Deutschland sank auf 85,4 Zähler von 86,6 Punkten im Vormonat, wie das Münchner Ifo-Institut am Dienstag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Es war bereits der vierte Rückgang in Folge. Von Reuters befragte Fachleute hatten nur mit einem Minus auf 86,0 Zähler gerechnet. Die Unternehmen beurteilten ihre aktuelle Geschäftslage schlechter und auch die Aussichten für die kommenden Monate pessimistischer als zuletzt. „Die deutsche Wirtschaft gerät immer stärker unter Druck“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.
Im Verarbeitenden Gewerbe sank der Ifo-Index auf den niedrigsten Wert seit Juni 2020 mitten in der Corona-Zeit. Schlechte Lage, trübe Aussichten, verschärfter Auftragsmangel – „die Kernbranchen der deutschen Industrie stecken in Schwierigkeiten“, betonte Fuest. „Die deutsche Wirtschaft steht am Rande einer Abwärtsspirale“, sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters.
„Kalte Dusche“ – ifo-Index signalisiert Abwärtstrend
Der deutliche Rückgang des Ifo-Index sei eine „kalte Dusche“ und das wichtige Barometer zeige nun im Trend wieder klar nach unten, sagte auch Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt dürfte im zweiten Halbjahr bestenfalls stagnieren und auch 2025 kaum wachsen. „Mit einem Plus von nur 0,5 Prozent ist wegen der seit Jahren erodierenden Standortqualität kein richtiger Aufschwung in Sicht.“
Das gewerkschaftsnahe IMK-Institut senkte derweil seine Konjunkturprognose leicht und traut der Wirtschaft 2024 nur noch eine Stagnation zu. Im nächsten Jahr werde es mit 0,7 Prozent Wachstum langsamer bergauf gehen als bisher gedacht. „In dieser Situation bräuchten wir in Deutschland eine wirtschaftspolitische Zeitenwende mit umfangreichen und kontinuierlichen Investitionen unter anderem in erneuerbare Energien, Netze, Verkehrsinfrastruktur und Bildung“, sagte Sebastian Dullien, wissenschaftliche IMK-Direktor. In den kommenden zehn Jahren seien zusätzliche Investitionen von 600 Milliarden Euro nötig.
Zuletzt hatte bereits die Umfrage unter Einkaufsmanagern für die hiesige Privatwirtschaft den Hoffnungen auf einen Aufschwung einen kräftigen Dämpfer versetzt: Das Barometer rutschte im September noch tiefer unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten, wie S&P Global jüngst mitteilte. Denn die deutsche Wirtschaft dümpelt derzeit am Rande einer Rezession. Nach einem Anstieg von 0,2 Prozent zu Jahresbeginn war das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) von April bis Juni wegen sinkender Investitionen um 0,1 Prozent zum Vorquartal gefallen.
Die Wirtschaft könnte nach Einschätzung der Bundesbank im laufenden Sommerquartal stagnieren oder erneut leicht schrumpfen. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge sprechen Fachleute von einer technischen, also vorübergehenden Rezession.