DIHK: Wirtschaftskrise wird auch im Wahljahr 2025 nicht verschwinden
Die Wirtschaft wird nach Einschätzung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) 2024 das zweite Jahr in Folge schrumpfen und im Wahljahr 2025 nur stagnieren. Das teilte der Verband am Dienstag auf Basis einer Umfrage unter rund 25.000 Unternehmen aus allen Branchen mit. „Die deutsche Wirtschaft verliert den Anschluss“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben in Berlin. Die Ampel-Regierung müsse jetzt Handlungsfähigkeit beweisen, beim Haushalt und bei der Umsetzung der Wachstumsinitiative zur Stärkung des Standorts. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben für Dienstag zu zwei getrennten Treffen mit unterschiedlichen Wirtschaftsverbänden geladen. SPD, Grüne und FDP wollen in der Wirtschaftspolitik ganz andere Schwerpunkte setzen.
Für dieses Jahr ist die DIHK pessimistischer als bisher und geht nun von einem Minus von 0,2 Prozent bei der Wirtschaftsleistung aus. 2025 wird dann Stagnation prognostiziert. 2023 war die Wirtschaft bereits um 0,3 Prozent geschrumpft. Zwar gab es 2009 wegen der globalen Finanzkrise und 2020 wegen der Corona-Lockdowns deutlich stärkere Einbrüche. Aber nur 2002 und 2003 schrumpfte die Wirtschaft zwei Jahre in Folge. Damals reagierte die rot-grüne Regierung mit der „Agenda 2010“ – weitreichenden Arbeitsmarkt- und Sozialreformen.
Wansleben sagte, die Lage sei wirklich schlecht. „Die Unsicherheiten sind zu groß.“ Die Regierung müsse mehr machen und Impulse für Investitionen setzen. Die unterschiedlichen und nicht-abgestimmten Treffen mit der Wirtschaft seien nicht optimal. Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen nannten in der DIHK-Umfrage mehr Unternehmen als zuletzt als Geschäftsrisiko. Weitere Risiken sind der Fachkräftemangel, die hohen Energiepreise sowie die gestiegenen Arbeitskosten.
Die FDP will am Dienstagvormittag mit dem Arbeitergeberverband, der DIHK, dem Handwerk sowie Familienunternehmern beraten. Am Nachmittag will Scholz dann mit dem Industrieverband BDI sowie der Gewerkschaft IG Metall diskutieren. Konkrete Ergebnisse werden allerdings nicht erwartet, Regierungskreisen zufolge erst Mitte Dezember. Scholz hatte das Treffen mehrfach als vertraulich bezeichnet und nur als Auftakt. Wansleben sagte, die Wirtschaft brauche jetzt einen Befreiungsschlag. Es gebe zu viel Bürokratie, zu hohe Steuern und die Energie sei im internationalen Wettbewerb zu teuer.
VW Symbol der Strukturkrise
Die DIHK ist mit ihren neuen Konjunkturprognosen deutlich pessimistischer als Ökonomen und Bundesregierung, die vor allem 2025 eine spürbare Erholung erwarten. „Wir haben es nicht nur mit einer konjunkturellen, sondern einer hartnäckigen strukturellen Krise am Standort Deutschland zu tun“, so Wansleben. „Für 2025 geben es unsere Zahlen nicht her, optimistisch zu werden. Im Gegenteil, an manchen Stellen lassen die Rückmeldungen der Unternehmen befürchten, dass es noch schlechter kommen könnte.“
Der Export dürfte 2024 und 2025 stagnieren. Die Investitionen in Anlagen werden laut DIHK dieses Jahr deutlich und nächstes Jahr noch leicht schrumpfen. Der private Konsum dürfte 2024 stagnieren und 2025 leicht anziehen.
Insgesamt liegen die Investitionen laut DIHK immer noch deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau. „Es gibt auch keine Hinweise auf eine Verbesserung.“ Ein Drittel der Unternehmen will seine Investitionen in Deutschland zurückfahren, in der Industrie sind es sogar 40 Prozent. Es gebe zwar keinen flächendeckenden Personalabbau, aber die Zeit sinkender oder stabiler Arbeitslosenzahlen dürfte erst einmal vorbei sein. „Anders als in den letzten Jahren wird es zukünftig auch vermehrt Arbeitsplatzverluste gegeben. Derzeit wird das noch durch die demografische Entwicklung gebremst.“
In gewisser Weise sei Volkswagen zum Symbol der Strukturkrise geworden, so Wansleben. Die Transformation hin zur Elektromobilität sei kein Sonntagsspaziergang. „Wir sind da voll in der Realität angekommen.“ Der Staat könne fehlende Bestellungen und eine zu geringe Auslastung von Werken nicht ausgleichen. Laut Betriebsrat will Europas Autobauer mindestens drei Werke schließen.