Top-Ökonomen

Keine Euro-Krise 2.0 wegen Frankreich - "Aber Lage ernst"

Berlin | 05.12.2024 | Reuters

Die Regierungs- und Haushaltskrise in Frankreich droht Ökonomen zufolge auf die ohnehin schwache Konjunktur in Deutschland durchzuschlagen. „Die Lage in Frankreich ist ernst“, sagte der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach, am 5. Dezember der Nachrichtenagentur Reuters. Nur in die USA verkaufen die deutschen Exporteure noch mehr als ins westliche Nachbarland. Die politische Instabilität lähme Frankreich. „Das werden auch die deutschen Exporteure zu spüren bekommen“, warnte Wambach.

Ähnlich sieht das der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick. „Eine neue Euro-Krise droht aktuell nicht“, betonte er zwar. Die Krise unterstreiche aber die politische Instabilität, mit der Europa umgehen müsse. „Die Unsicherheit über zentrale Fragen der Haushalts- und Handelspolitik belastet die europäische Wirtschaft“, warnte Schularick. Das mit einer hohen Staatsverschuldung belastete Frankreich werde um grundlegende Reformen nicht herumkommen, ergänzte Wambach. „Wenn die politische Instabilität aber zu einer dauerhaften Handlungsunfähigkeit führt, werden die Märkte reagieren“, so der ZEW-Präsident.

Das sind schlechte Nachrichten für Deutschland. Mit einem bilateralen Handelsvolumen von mehr als 190 Milliarden Euro und Investitionen in Höhe von 80 Milliarden Euro durch mehr als 2.600 deutsche Firmen zähle Frankreich zu den wichtigsten Märkten für die heimische Wirtschaft, so die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK).

„Von Panik keine Spur“

Die Nervosität an den Finanzmärkten wegen der Krise in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone dürfte vorerst hoch bleiben. „Bislang haben die Märkte für französische Staatsanleihen besonnen reagiert“, sagte der Chefvolkswirt der DekaBank, Ulrich Kater. „Die Risikoprämie war in den vergangenen Monaten zwar spürbar gestiegen, aber von Panik keine Spur.“

Die Lücke zwischen französischen und deutschen Renditen für zehnjährige Staatsanleihen – ein Maß für die Risikoprämie, die Anleger verlangen – sank am Donnerstag leicht auf rund 0,81 Prozentpunkte. Am Montag erreichte sie mit 0,9 Punkten den höchsten Abstand seit 2012.

Frankreichs Kreditkosten stiegen in den vergangenen Tagen sogar erstmals über die von Griechenland, das 2012 im Zentrum der europäischen Staatsschuldenkrise stand. „Aber es ist mit keiner neuerlichen Euro-Krise zu rechnen“, sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. „Die Schutzschilder der EZB sind hierfür zu mächtig.“

„Erhebliche Verunsicherung“

Die EZB verfüge im Gegensatz zur Staatsschuldenkrise der Jahre 2011 und 2012 mittlerweile über mächtige Werkzeuge. So können etwa mit dem Transmissionsschutz-Instrument (TPI) Anleihen einzelner Euro-Staaten in unbegrenztem Umfang gekauft werden, um unangemessen hohe Renditeaufschläge zu verhindern. „Alleine die Tatsache, dass die EZB einschreiten kann, dürfte ein Überschwappen auf andere Staaten verhindern und auch die französischen Renditeaufschläge nicht in jene Höhen treiben, die im Jahr 2011 zu vermelden waren“, sagte Gitzel.

Am Mittwochabend ist die Regierung von Ministerpräsident Michel Barnier über ein Misstrauensvotum gestürzt. Dieser wollte das Staatsdefizit von 6,1 auf 5 Prozent kürzen. Die europäischen Schuldenregeln sehen eigentlich eine Obergrenze von drei Prozent vor.

„Solange kein neues Haushaltsgesetz verabschiedet ist, zeichnet sich eine sehr restriktive Fiskalpolitik in Frankreich ab“, sagte der Chefvolkswirt des Vermögensverwalters Bantleon, Daniel Hartmann. „Schließlich sind die Ausgaben dann auf dem Niveau des Vorjahres gedeckelt.“ Außerdem komme es zu einer „heimlichen“ Steuererhöhung, da die automatische Anpassung der Einkommenssteuertabelle an die Inflation entfalle. „Dies wird zu erheblicher Verunsicherung unter den Verbrauchern beitragen“, sagte Hartmann.


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