Klimamanagement

In Etappen zur treibhausgasneutralen Bank

Titelthema | 02.10.2023 | Burkhard Huckestein
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Damit Deutschland seine klimapolitischen Ziele erreicht, müssen alle Unternehmen bis zum Jahr 2045 treibhausgasneutral werden. Banken müssen ihre internen Abläufe auf allen Ebenen so organisieren, dass die Treibhausgasemissionen aus dem Bankbetrieb minimiert werden und der Klimaschutz in alle Geschäftsbereiche integriert wird. Dies erfordert ein systematisches und transparentes Vorgehen.

Der Klimawandel ist die größte aktuelle Herausforderung der Menschheit. Seine Ursachen reichen über 200 Jahre zurück, seine teilweise dramatischen Folgen werden hingegen erst heute zunehmend spürbar.

Die mit der industriellen Revolution einsetzende technologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung hat den Menschen zunehmend unabhängig von seiner Umwelt gemacht. Mit jeder Innovation und jeder technischen Fortentwicklung konnte sich der Mensch von den Beschränkungen der natürlichen Gegebenheiten befreien: Von den Jahres- und Tageszeiten, von Wind und Wetter sowie von den vor Ort verfügbaren natürlichen Ressourcen.

Erst seit vergleichsweise kurzer Zeit wissen wir, dass diese einzigartige Erfolgsgeschichte der Menschheit auch ihre gravierenden Kehrseiten hat: Sie hat den Menschen nahezu vollständig von seiner Umwelt entfremdet und ihn von der Verfügbarkeit kostengünstiger Energie abhängig gemacht. Der Klimawandel ist letztlich die Konsequenz daraus, dass das über Jahrmillionen der Atmosphäre entzogene und im Boden fossil gelagerte CO2 in erdgeschichtlich gesehen kürzester Zeit zurück in die Atmosphäre gelangt und den Strahlungshaushalt der Erde durcheinanderbringt.

Als Folge dieses Wissens streiten nun Politikerinnen und Politiker auf Klimakonferenzen, in Parlamenten und Regierungen darüber, wie weit unser Lebensstil das Klima und die Klimapolitik unseren Lebensstil bedrohen darf. Die bisherigen Ergebnisse dieses Streits sind das Übereinkommen von Paris und die darauf basierenden Beschlüsse der Staaten, den Klimawandel zu begrenzen und langfristig nicht mehr Treibhausgase zu emittieren als der Atmosphäre auch wieder entzogen werden.

Das Klimagesetz der EU (EU/ 2021/1119) legt fest, dass die Treibhausgasemissionen und deren Abbau in der EU spätestens zum Jahr 2050 ausgeglichen sein müssen (Netto-Null) und strebt danach negative Emissionen an. Für Deutschland sieht das Bundes-Klimaschutzgesetz bereits bis zum Jahr 2045 Treibhausgasneutralität vor. Auf dem Weg dahin müssen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent und bis 2040 um 88 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 gemindert werden. Die damit verbundene Transformation zu einer treibhausgasneutralen Gesellschaft ist eine riesige Herausforderung – nicht nur für die Klimapolitik, sondern für die gesamte Wirtschaft mit allen Unternehmen.

Top-down und Bottom-up

Diese Herausforderung kann von oben angegangen werden, indem die politischen Entscheidungsträger die für das Erreichen der Klimaziele erforderlichen Emissionsminderungen bestimmen, hierzu entsprechende Gesetze und Vorschriften verabschieden und diese mithilfe einer starken Verwaltung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen durchsetzen.

In diesem Sinne entwickelt die Klimapolitik derzeit strengere Anforderungen unter anderem an Gebäude, Fahrzeuge, Materialien, Lieferketten, Nachhaltigkeitsberichterstattung, Werbeaussagen oder Geldanlagen (siehe hierzu die EU-Taxonomie) und hat entsprechende Gesetze beschlossen oder auf den Weg gebracht.

So wichtig ein klarer rechtlicher Rahmen für die Transformation der Wirtschaft ist, ohne ein aktives Gestalten und Mitwirken der Betroffenen selbst lässt sich eine treibhausgasneutrale Wirtschaftsweise nicht erreichen. Ergänzend zum Top-down-Ansatz muss der Weg zur Treibhausgasneutralität daher auch von den Unternehmen selbst – also Bottom-up – anhand ihrer konkreten Bedingungen und Gegebenheiten geplant, gestaltet, erprobt und etabliert werden.

Nur im Zusammenwirken der rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen auf der einen Seite und der individuellen technischen, organisatorischen und marktlichen Möglichkeiten der Unternehmen auf der anderen kann Treibhausgasneutralität erreicht werden – global, national, branchenbezogen und individuell.

Indem Banken unter anderem Gebäude nutzen, Fahrzeuge, Anlagen und Geräte betreiben, Dienstreisen durchführen, Produkte beschaffen, Aufträge vergeben, Veranstaltungen durchführen oder Beschäftigte, Kunden und Lieferanten zu ihren Standorten und Filialen kommen lassen, verursachen sie Treibhausgasemissionen und tragen damit selbst zum Klimawandel bei.

Die Möglichkeiten, aber auch die Schwierigkeiten und Hemmnisse, ihre Treibhausgasemissionen zu verringern, sind dabei für jedes Institut, für jeden einzelnen Standort und für jeden Geschäftsbereich unterschiedlich. Unabhängig von den Bedingungen an den einzelnen Standorten mit ihren jeweiligen Gebäuden, Ausstattungen, Mitarbeitenden und Kunden kann der Weg zum treibhausgasneutralen Bankbetrieb nur erfolgreich sein, wenn er systematisch, zielbezogen, konsequent und glaubwürdig begangen wird.

Systematisch bedeutet dabei, dass die Aktivitäten nicht punktuell und durch einzelne engagierte Personen angetrieben werden, sondern fest in den Zuständigkeiten, Abläufen und Entscheidungsregeln der Bank verankert sind. Zielbezogen heißt, dass sich die Bank konkrete und überprüfbare Ziele setzt, an denen sie ihre Klimaschutzmaßnahmen ausrichtet und sie steuert.

Konsequent heißt, dass Klimaaspekte in allen betrieblichen Bereichen beachtet und nicht durch andere Ziele und Aspekte verwässert werden. Glaubwürdig heißt, dass Aussagen zum Klimaschutz transparent offengelegt sowie durch unabhängige Fachleute überprüft und bestätigt werden.

Etappen des Weges

Es gibt zahlreiche Unternehmensinitiativen zur Treibhausgasneutralität, die sich teilweise erheblich in ihren Begriffen, Ambitionen und Vorgehensweisen unterscheiden. In der Regel umfassen sie drei Schritte:

  • Bilanzieren, das heißt das Ermitteln der vom Unternehmen ausgehenden Treibhausgasemissionen.
  • Reduzieren, das heißt das Ergreifen von Maßnahmen zur Minderung dieser Emissionen.
  • Kompensieren, das heißt das Ausgleichen der verbleibenden Emissionen durch den Kauf von CO2-Zertifikaten.

Alle drei Schritte bieten Möglichkeiten zur Grünfärberei, etwa durch unvollständige Bilanzierung, wenig ambitionierte Minderungsziele und Maßnahmen oder die Kompensation durch minderwertige Zertifikate (siehe auch Artikel auf Seite 40). Um glaubwürdig zu sein, reichen diese drei Schritte nicht. Stattdessen ist ein umfassendes Vorgehen in insgesamt neun Etappen notwendig, das permanent durchlaufen und optimiert werden muss (siehe Abbildung):

Organisation

Dreh- und Angelpunkt einer erfolgreichen Strategie zur Treibhausgasneutralität ist die Integration von Klimaschutzaspekten in die Aufbau- und Ablauforganisation der Bank. Dabei geht es darum, die Verantwortung im Management auf allen Führungsebenen – vom Vorstand bis zu den Kundenberatern − zu verankern, die Zuständigkeiten für die verschiedenen Aspekte festzulegen, indem etwa Klimaschutzbeauftragte etabliert oder Klimateams gebildet werden, und Klimaaspekte in alle relevanten Abläufe und Entscheidungen zu integrieren.

Anwendungsbereich

Bevor Ziele und Maßnahmen zur Treibhausgasneutralität entwickelt und beschlossen werden, muss jedes Institut festlegen, welche Unternehmensbereiche, Standorte und Gebäude (Systemgrenze) sowie welche Aspekte und Aktivitäten einbezogen werden sollen (Bilanzgrenze). Alle weiteren Etappen müssen sich auf diesen Anwendungsbereich beziehen. Je präziser und umfassender dieser festgelegt wird, desto glaubwürdiger ist der Weg zur Treibhausgasneutralität.

Bilanzierung

Für den so definierten Anwendungsbereich müssen die Treibhausgasemissionen bestimmt werden. Hierzu sind zunächst Daten zu erheben, anhand derer die Treibhausgasemissionen nach anerkannten Methoden ermittelt werden. Dies schließt auch indirekte Emissionen aus vor- und nachgelagerten Prozessen ein, etwa aus der Stromversorgung und der Beschaffung sowie aus durch die Bank finanzierten Investitionen. Gerade letzteres ist methodisch und praktisch anspruchsvoll, für die Glaubwürdigkeit aber unverzichtbar.

Ziele

Jedes Institut muss für sich konkrete und überprüfbare Ziele festlegen, insbesondere zur Minderung seiner Treibhausgasemissionen. Diese Ziele müssen den so genannten SMART-Anforderungen entsprechen, das heißt, sie müssen spezifisch, messbar, ambitioniert, realistisch und terminiert sein. Banken sollten möglichst für alle Handlungsfelder entsprechende Klimaziele konkretisieren – etwa für Gebäude, Verkehr, Beschaffung, IT oder Veranstaltungen. Damit sie für alle Betroffenen verständlich sind, sollten sie in vorstellbare und praktisch relevante Größen übersetzt werden, etwa in Energieverbräuche, Flugreisen oder digitale Datenvolumina.

Maßnahmen

Um ihre Klimaschutzziele zu erreichen, müssen Institute konkrete Maßnahmen planen, beschließen und durchführen. Das schließt Bau- und Investitionsmaßnahmen ebenso ein wie Beschaffungen und Auftragsvergaben sowie Aktivitäten zur Verhaltenssteuerung der Mitarbeitenden. Bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen sollten auch vermiedene Klimaschäden – in Form eines internen CO2-Preises – berücksichtigt werden. Um die Vielzahl der Maßnahmen zu steuern, sind Maßnahmenpläne und -programme sinnvoll, in denen für jede Maßnahme das angestrebte Ergebnis, die Verantwortlichkeit und der Stand dokumentiert werden.

Kompensieren

Die noch nicht vermiedenen Emissionen müssen durch den Kauf und die Stilllegung von CO2-Zertifikaten ausgeglichen werden. Hierzu bietet der freiwillige Kohlenstoffmarkt ein vielfältiges Angebot. Dieser Markt ist rechtlich nicht geregelt. Bei der Auswahl von Zertifikaten sollte vor allem darauf geachtet werden, dass sie aus Projekten stammen, die zusätzlich, dauerhaft sowie ohne ökologische und soziale Nachteile – etwa für die Biodiversität oder die Bevölkerung in der Projektregion – sind. Darüber hinaus sollte eine Doppelzählung – zum Beispiel zur Anrechnung auf die nationalen Klimaschutzverpflichtungen – ausgeschlossen sein.

Kommunikation

Eine gute Kommunikation mit dem Vorstand und den Mitarbeitenden sowie eine glaubwürdige Berichterstattung gegenüber Vertrags- und Kooperationspartnern, Kunden sowie der Öffentlichkeit ist wichtig. Die interne Kommunikation ermöglicht nicht nur fundierte Entscheidungen der Führungskräfte bis hin zum Vorstand, sondern sichert auch die Akzeptanz, Motivation und Beteiligung der Mitarbeitenden. Die externe Klimaberichterstattung ist vor allem für das Verhältnis zu Vertrags- und Kooperationspartnern sowie zu Kunden und Mitgliedern relevant und sollte transparent und glaubwürdig sein.

Überprüfen

Zu einem wirksamen und effizienten Vorgehen gehört, dass die Banken die einzelnen Etappen zur Treibhausgasneutralität regelmäßig und systematisch im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und Angemessenheit überprüfen und bewerten. Hierzu eignen sich zum einen interne Klimaschutzaudits durch eigene Mitarbeitende, die hierzu entsprechend unterwiesen und angeleitet werden. Für die Glaubwürdigkeit des Vorgehens zur Treibhausgasneutralität ist zum anderen die Überprüfung durch externe Fachleute wichtig. Diese kann auch im Rahmen einer Zertifizierung nach ISO 14001 oder einer Validierung nach EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) durch zugelassene Umweltgutachter erfolgen.

Anpassen

Ziel dieser letzten Etappe ist das Etablieren eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zum Nachsteuern und Anpassen an sich ändernde Bedingungen und Entwicklungen. Anpassungen können aufgrund externer Entwicklungen erforderlich werden, beispielsweise wenn sich rechtliche Anforderungen, Marktbedingungen oder Kundenerwartungen ändern. Sie können aber auch aus internen Faktoren resultieren − etwa geänderte Zuständigkeiten, Abläufe oder Managementvorgaben. Auch die in den einzelnen Etappen gemachten Erfahrungen und die Ergebnisse interner und externer Audits sind wichtige Impulse für Anpassungen.

Ein treibhausgasneutraler Bankbetrieb ist vor allem dann wirksam und glaubwürdig, wenn er gut in die Managementstrukturen integriert ist, die Treibhausgasemissionen aus vor- und nachgelagerten Prozessen einbezieht, smarte Ziele zum Klimaschutz enthält sowie transparent kommuniziert und durch unabhängige Fachleute überprüft wird. Dies sicherzustellen ist eine Herausforderung, die in die Zukunft weist.

Redaktion
le-tex publishing services GmbH
Burkhard Huckestein

Dr. Burkhard Huckestein ist im Umweltbundesamt für nachhaltige Unternehmensführung sowie Umwelt- und Klimamanagement zuständig. Er leitet darüber hinaus den Arbeitskreis „Klimaneutralität“ beim DIN sowie
die AG „Klima und Energie“ des Umweltgutachterausschusses. Der Beitrag
basiert auf dem UBA-Leitfaden „Der Weg zur treibhausgasneutralen Verwaltung“.



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