USA

Zinswende im XL-Format

Washington/Berlin | 19.09.2024 | Reuters

Die US-Notenbank geht die Zinswende mit einem ungewöhnlich großen Schritt an und will die Geldpolitik weiter lockern. Erstmals seit Anfang des Jahrzehnts wurde der Schlüsselsatz am Mittwoch gesenkt – und dies sogleich um einen halben Prozentpunkt.

Er liegt nunmehr in der Spanne von 4,75 bis 5,00 Prozent. Manche Händler hatten auf einen solchen XL-Schritt spekuliert. US-Notenbankchef Jerome Powell machte klar, dass die Währungshüter angesichts der Fortschritte an der Inflationsfront und einer Abkühlung des Arbeitsmarkts die kräftige Senkung für „die richtige Sache“ hielten. Doch sei dies nicht „das neue Tempo“ auf dem Zinspfad nach unten. Vielmehr werde sich die Notenbank flexibel von Sitzung zu Sitzung weiterbewegen.

„Die US-Notenbanker gehen bei der wohlvorbereiteten Zinswende direkt in die Vollen“, sagte LBBW-Ökonom Elmar Völker. Und sie avisierten weitere Schritte nach unten. Bis Ende des Jahres könnte der Leitzins laut dem aktualisierten Ausblick der Währungshüter noch um einen halben Prozentpunkt sinken. Nach weiteren Senkungen dürfte er dann 2026 in einer Spanne von 2,75 bis 3,00 Prozent landen.

Wie der Zentralbankchef erläuterte, ist die Fed nicht in Eile, das geldpolitische Niveau weiter rasch nach unten zu drücken. Nichts im Zinsausblick deute auf eine Dringlichkeit hin, betonte Powell. An den Terminmärkten wird damit gerechnet, dass es im November weiter nach unten geht – dann aber nur um einen Viertel-Prozentpunkt.

„So spektakulär die große geldpolitische Lockerung auf den ersten Blick aussehen mag, bei genauerer Analyse hat sich am US-Zinsausblick wenig verändert“, erläutert der Chefökonom der VP Bank, Thomas Gitzel. Zwar dürfte die Fed im laufenden Jahr ihre Leitzinsen etwas stärker zurücknehmen als erwartet. Doch die für das kommende Jahr auf dem Zinspfad nach unten signalisierten 100 Basispunkte sehen nach Meinung des Experten nicht nach einem aggressiven Zinssenkungskurs aus.

Die nun erfolgte große Zinswende wurde mit elf zu eins Stimmen im Offenmarktausschuss der Fed durchgewinkt: Nur Direktoriumsmitglied Michelle Bowman hatte für einen kleineren Schritt nach unten im Umfang von einem Viertel-Prozentpunkt plädiert. Mit der Senkung um 50 Basispunkte beflügelte die Notenbank die US-Börsen zunächst. Die US-Indizes, die zuvor auf der Stelle getreten hatten, legten deutlich zu. Im späteren Verlauf gaben sie die Gewinne jedoch wieder ab. Der Dollar gab leicht nach: der Dollar-Index verlor 0,1 Prozent auf 100,80 Punkte.

Die letzte Zinssenkung der Fed datiert vom März 2020, als die Notenbank auf den Konjunktur-Einbruch in der Corona-Krise reagierte. Danach hielt sie den Leitzins lange nahe der Null-Linie, bevor sie ein Inflationsschub 2022 zu teilweise massiven Zinserhöhungsschritten zwang. Seit Juli vorigen Jahres lag der Schlüsselsatz dann in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent.

Mit einer Inflationsrate von zuletzt 2,5 Prozent ist die Notenbank ihrem Ziel von zwei Prozent nähergekommen – ein wichtiges Kriterium für ein Lockern der Zinszügel. Die Fed ist damit allerdings keine Vorreiterin: Die Europäische Zentralbank (EZB) sowie die Bank of England haben die Wende bereits im Sommer vollzogen. Die EZB hat vorige Woche sogar schon nachgelegt. Powell betonte, er glaube nicht, dass die Zentralbank zu lange mit der Senkung des Leitzinses gewartet habe. Die Geduld habe sich ausgezahlt, wie an der abebbenden Inflation abzulesen sei.


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