Weichen für Reform Schuldenbremse oder Sondervermögen sind gestellt
Als CDU-Chef Friedrich Merz im Sommer mit den CDU-Ministerpräsidenten über die Schuldenbremse diskutierte, war das Meinungsbild nach Reuters-Informationen sehr deutlich. Angesichts des erwarteten enormen Investitionsbedarfs auch in Kommunen und Ländern drangen die Länderchefs der Union ebenso wie ihr SPD-Kolleginnen und -Kollegen darauf, ihnen mehr Möglichkeiten zur Kreditaufnahme einzuräumen. Einige wie Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner sagten dies auch öffentlich. In der Ampel spitzte sich parallel der Streit über Ausnahmen innerhalb der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse so zu, dass das Bündnis zwischen SPD, Grünen und FDP letztlich zerbrach.
Spitzenpolitiker mehrerer Parteien äußerten in den vergangenen Wochen mit Hinweis auf enorm ansteigenden Finanzbedarf für Sicherheit und Investitionen unter der Hand die klare Erwartung, dass eine Reform nach den vorgezogenen Neuwahlen am 23. Februar kommen wird. Angesichts der lahmenden Wirtschaft fordern auch Ökonomen und Firmen immer lauter eine Wende – zumal Deutschland international mit seiner Finanzpolitik etwa im G7-Rahmen immer isolierter ist. Die Weichen scheinen also gestellt. Aber der Weg, der eingeschlagen werden wird, hat dabei Auswirkung auch auf die künftige Regierungsbildung.
Reform der Schuldenbremse für die Länder
Mecklenburg-Vorpommern setzte das Thema am Freitag auf die Tagesordnung des Bundesrates. Die Regierung in Schwerin fordert, dass die Schuldenbremse so reformiert werden muss, dass das Neuverschuldungsverbot für die Bundesländer fällt und an den Spielraum des Bundes angepasst wird. Der Bund kann immerhin in Höhe von bis zu 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung neue Kredite aufnehmen. Eine entsprechende Änderung könnte Ländern und Kommunen mehr Spielraum geben. Dies wollen auch die CDU-Ministerpräsidenten. Sogar Bayerns Landeschef Markus Söder (CSU) lehnt dies nicht mehr grundsätzlich ab, fordert aber eine vorangehende Reform des Länderfinanzausgleichs.
Bisher war eine Reform nicht möglich, weil es Widerstand in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gab und in der Ampel-Regierung eine klare Ablehnung durch die FDP. Eine Reform in dieser Legislaturperiode hätte nur dazu geführt, dass SPD und Grünen noch mehr Geld für Sozialleistungen hätten ausgeben können, lautete das Argument der Union. Seit Kanzler Olaf Scholz aber den Prozess für vorgezogene Neuwahlen eingeleitet hat und CDU/CSU fest mit dem Einzug ins Kanzleramt rechnen, lockert sich die Abwehrhaltung auffallend: Nun sieht die CDU deutlicher den enormen Finanzbedarf auch einer unionsgeführten Bundesregierung. Unions-Kanzlerkandidat Merz hält eine Reform nun prinzipiell für möglich. Der CDU-Haushaltspolitiker Mathias Middelberg sagte zu Reuters: „Denkbar ist eine Ergänzung der Schuldenbremse für die Bundesländer. Das könnte man durchaus korrigieren.“
Neue Sondervermögen
Wie eine Reform der Schuldenbremse bräuchte auch die Einrichtung neuer Sondervermögen eine Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Solche speziellen neue Kreditlinien neben dem regulären Haushalt nach dem Vorbild des Sondervermögens Bundeswehr sind seit geraumer Zeit etwa für Investitionen oder Sicherheitsausgaben im Gespräch. Mecklenburg-Vorpommern schlug jetzt neben der moderaten Reform der Schuldenbremse vor, eine neue Investitions-Kreditlinie von mehreren hundert Milliarden Euro einrichten. Der Vorteil: In einem Sondervermögen kann genauer definiert werden, wofür neue Schulden aufgenommen werden dürfen, also etwa für Brücken-Sanierung, den Ausbau von Verkehrswegen, Stromleitungen oder eben Verteidigungsausgaben. „Wenn nach einem Kassensturz und einer Staatsreform immer noch Geld zum Beispiel für die Verteidigung fehlt, ist ein zweckgebundenes Sondervermögen der klügere Weg als eine pauschale Öffnung der Schuldenbremse“, sagte der Vorsitzende der Junion Union, Johannes Winkel, der „Rheinischen Post“.
Droht eine Sperrminorität?
Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger dringt auf Eile und will eine Reform möglichst noch vor der Bundestageswahl einleiten. „Ich wäre sogar bereit …, dass wir uns noch sehr schnell über diese Frage drüber beugen, denn am Ende des Tages brauchen wir dazu ja eine Zweidrittelmehrheit“, sagte die saarländische Ministerpräsidentin (SPD). Hintergrund ist nach den Ergebnissen der Landtagswahlen im Osten die Sorge, dass AfD und BSW vielleicht auch bald im Bundestag eine Sperrminorität erreichen könnten. Die AfD lehnt eine Änderung ab.
Schießt sich die FDP aus künftigen Regierungen?
FDP-Chef Christian Lindner schließt die Bildung einer Koalition mit Partnern aus, die nach der Bundestagswahl die Schuldenbremse reformieren wollen. „Ich habe mich nicht für die Schuldenbremse auf die Straße setzen und öffentlich herabwürdigen lassen, um mich danach an ihrer Aufweichung zu beteiligen“, sagte der frühere Finanzminister dem „Handelsblatt“. Ein erneutes Bündnis mit SPD und Grünen wäre deshalb schwierig. Aber bleibt die Union bei ihrem Umdenken, dürfte es die FDP schwer werden, überhaupt noch einen Koalitionspartner zu finden.