Ifo-Index fällt wieder: "Deutscher Wirtschaft fehlt es an Kraft"
Nach dem Ampel-Aus und der Wiederwahl von Donald Trump in den USA trübt sich die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Unternehmen ein. Der Ifo-Geschäftsklimaindex als wichtigstes Barometer für die Konjunktur in Deutschland fiel im November um 0,8 auf 85,7 Punkte, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Dies ist der fünfte Rückgang in sechs Monaten, nur im Oktober hatte es einen Anstieg gegeben. Die Firmen beurteilten ihre Geschäftslage und die Aussichten für die kommenden Monate skeptischer als zuletzt. „Der deutschen Wirtschaft fehlt es an Kraft“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.
Im Verarbeitenden Gewerbe und bei den Dienstleistern verschlechterte sich das Geschäftsklima, am Bau trübte sich die Laune merklich ein. Einen Lichtblick lieferte der Handel. Hier legte der Index erneut zu. „Von einer positiven Stimmung sind die Unternehmen aber noch sehr weit entfernt“, betonte Fuest. „Die Verbraucher fangen langsam an, mehr Geld auszugeben“, sagte Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. Allerdings gebe es noch viel Luft nach oben.
TRUMP, NEUWAHLEN, FRANKREICH – „DAS WAR EINFACH ZU VIEL“
„Trump-Schock und Ampel-Aus haben nicht zur Beruhigung der Unsicherheit der Unternehmen beigetragen“, erläuterte Wohlrabe. Die politische Unsicherheit fordere ihren Tribut, sagte Cyrus de la Rubia, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank. „Trump, Neuwahlen in Deutschland und eine wacklige Regierung bei unserem wichtigsten europäischen Handelspartner Frankreich – das war einfach zu viel.“ Dazu kämen noch die neuen Meldungen aus der Autobranche über Pläne zum Jobabbau.
Mit Donald Trumps Sieg bei der US-Präsidentschaftswahl nimmt der Gegenwind für die schwächelnde Wirtschaft zu. Denn der Republikaner hat im Wahlkampf angekündigt, Strafzölle auf Importe aus Europa zu erheben und dürfte die USA weiter abschotten. Vor allem Exporteuropameister Deutschland könnte darunter leiden.
Schon im Schlussquartal dürfte es für die Konjunktur schlechter gelaufen sein als zuvor, sagte LBBW-Analyst Jens-Oliver Niklasch. „Binnenwirtschaftlich herrscht Stillstand, und im Rest der Welt nehmen die Risiken eher zu.“ Im nächsten Jahr werde die Wirtschaft erneut schrumpfen. Auch Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer zeigt sich wenig optimistisch. „Das deutsche Bruttoinlandsprodukt dürfte im Winterhalbjahr bestenfalls stagnieren.“ Ab Frühjahr gehe es allenfalls blutleer aufwärts. „Für das Gesamtjahr 2025 rechne ich nur mit plus 0,2 Prozent“, sagte Krämer. Die Konjunktur-Prognosen der meisten Volkswirte seien noch zu optimistisch.
Die deutsche Wirtschaft ist im Sommer-Quartal nur minimal um 0,1 Prozent gewachsen und dümpelt am Rande einer Rezession. Auch für das Jahresende zeichnet sich kein Aufschwung ab. Ein wichtiger Konjunkturindikator – der an den Finanzmärkten stark beachtete Einkaufsmanagerindex für Industrie und Dienstleister – fiel jüngst sogar auf den niedrigsten Wert seit neun Monaten.
Für die immer größeren Herausforderungen der deutschen Wirtschaft zeichneten sich keine Lösungen ab, warnte DekaBank-Experte Andreas Scheuerle. „Nun kommt zu den strukturellen Defiziten des Standorts Deutschland und der Herausforderung durch die Volksrepublik China auch noch die Drohung steigender US-Zölle hinzu.“ In diesem Umfeld gelinge es nicht, aus der Stagnationsfalle zu entkommen, sagte Scheuerle. „Politik und Gesellschaft müssen erkennen, dass die Herausforderungen für Deutschland genauso groß sind, wie zu der Zeit als fünf Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos waren und die Agenda-2010-Reformen umgesetzt wurden.“
Dazu passt, dass deutsche Unternehmen ihre Geschäftsbedingungen im Ausland meist deutlich optimistischer einschätzen als auf dem Heimatmarkt. Das geht aus einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter knapp 3500 Firmen mit Auslandsaktivitäten hervor.