Ifo-Umfrage

"Wirtschaft blickt skeptisch auf Sommer"

Berlin | 24.05.2023 | Reuters

Die Stimmung der deutschen Wirtschaft hat sich im Mai deutlich verschlechtert und lässt neue Konjunktursorgen aufkommen. Das Barometer für das Geschäftsklima fiel auf 91,7 Punkte, von revidiert 93,4 Zählern im April, wie das Münchner Ifo-Institut am 24. Mai zu seiner Umfrage unter rund 9.000 Führungskräften mitteilte.

Es war der erste Rückgang des an den Finanzmärkten stark beachteten Barometers nach sechs Anstiegen in Folge. Die Zinserhöhungsserie der EZB, die noch immer hohe Inflation und die maue Weltwirtschaft gelten aus Expertensicht als Stimmungsbremsen. „Die deutsche Wirtschaft blickt skeptisch auf den Sommer“, so das Fazit von Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die erhoffte Frühjahrsbelebung droht den Münchner Forschern zufolge auszufallen, auch wenn die Bundesbank zumindest ein leichtes Wachstum im zweiten Quartal für wahrscheinlich hält. LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch sieht in dem überraschend schlecht ausgefallenen Ifo-Index allerdings ein böses Omen: „Das sieht weiterhin nach Rezession aus.“

Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einer leichten Eintrübung des Geschäftsklimas gerechnet. Zugleich wurden sie vom Einbruch der Erwartungen auf dem falschen Fuß erwischt: Dieser Teil des Barometers, der Auskunft über die Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate gibt, sackte auf 88,6 Punkte von 91,7 Zählern im April ab. Der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, im zweiten Quartal dürfte es in Richtung einer Stagnation gehen. Schon im ersten Quartal hatte das Bruttoinlandsprodukt von Europas größter Volkswirtschaft stagniert, nachdem es Ende 2022 sogar um 0,5 Prozent geschrumpft war.

Inflation schadet

Die Bundesbank ist mit Blick auf die Konjunkturentwicklung weniger skeptisch als das Ifo: Nachlassende Lieferengpässe, hohe Auftragspolster und die gesunkenen Energiepreise dürften aus ihrer Sicht für eine Erholung in der Industrie sorgen. „Dies dürfte auch die Exporte stützen, zumal die globale Konjunktur wieder etwas Tritt gefasst hat“, heißt es im Monatsbericht der Bundesbank. Die zuletzt kräftigen Lohnerhöhungen sollten zudem die Kaufkraft der privaten Haushalte stützen: „Der private Konsum dürfte daher in etwa stagnieren.“ Zuletzt hatten die Verbraucher wegen anhaltender Kaufkraftverluste infolge der hohen Inflation weniger konsumiert. In vielen Branchen wurden aber mittlerweile kräftige Lohnerhöhungen vereinbart.

Die schädlichen Auswirkungen der hohen Inflation, die Deutsche Bank-Chef Christian Sewing als „Gift“ bezeichnet, treiben auch die Europäische Zentralbank um. Laut EZB-Chefin Christine Lagarde wird durch den hohen Preisdruck der Wert des Geldes gemindert und die Kaufkraft verringert. Dies treffe Menschen sowie Unternehmen im gesamten Euroraum: „Ganz besonders die Schwächsten in unserer Gesellschaft“. Zugleich signalisierte die Französin, dass die Zinserhöhungsserie der Notenbank noch nicht am Ende ist. Diese werde die Inflation zum Ziel von mittelfristig 2,0 Prozent zurückführen: „Aus diesem Grund haben wir die Zinssätze in Rekordzeit erhöht, werden sie auf ein ausreichend restriktives Niveau anheben und dort so lange wie notwendig belassen.“

Die EZB hat seit der Zinswende im Juli 2022 die Schlüsselzinsen bereits sieben Mal in rasanter Folge um insgesamt 3,75 Prozentpunkte angehoben. Auf der nächsten Zinssitzung am 15. Juni könnte sie nach Einschätzung der von Reuters befragten Volkswirte nachlegen. Einen Grund für die erwartete Konjunkturflaute sieht Ifo-Experte Wohlrabe in den Zinserhöhungen, mit denen die EZB und die Notenbanken weltweit auf die höhere Inflation reagieren.

Zinserhöhungen als Dämpfer

„Die Zinserhöhungen scheinen die Nachfrage zu dämpfen“, sagte Wohlrabe mit Blick auf die gestiegenen Zinskosten. So seien etwa die Exporterwartungen in der deutschen Industrie gesunken. „Sie hat wohl deutlich weniger Neuaufträge erhalten“, sagte der Ifo-Experte. „Die Nachfrage wird zum Problem.“ Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht in der weltweiten Zinswende einen gewichtigen Grund für die gekippte Stimmung in den deutschen Chefetagen. Denn diese Wende bremse erfahrungsgemäß die Weltkonjunktur und damit das Geschäft der exportorientierten deutschen Wirtschaft: „Für Deutschland lässt sich für die zurückliegenden fünfzig Jahre sogar zeigen, dass Leitzinserhöhungen stets in Rezessionen mündeten, wobei von der ersten Zinserhöhung bis zum Beginn der Rezession im Durchschnitt fünf Quartale vergehen.“


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