Neuer BaFin-Chef

Umbau der Finanzaufsicht dauert Jahre

Frankfurt/München | 13.10.2021 | Reuters

Der neue Präsident der Finanzaufsicht BaFin sieht die Behörde bei ihrem ehrgeizigen Umbau noch längst nicht am Ziel. „Viele Impulse sind gesetzt. Aber nach einem halben Jahr sind wir nicht am Ziel“, sagte Mark Branson in einer ersten Zwischenbilanz am Mittwoch. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) müsse mutiger werden, schneller handeln und mehr Risiken eingehen, um nicht zu spät einzugreifen. „Es braucht mehrere Jahre, bis wir überall auf dem Niveau sind, das wir anstreben“, sagte der frühere Chef der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma, der im August nach Bonn gewechselt war. Er habe Aufbruchstimmung festgestellt.
Experten hatten die BaFin kritisiert, weil sie vielfach zu bürokratisch und kleinteilig vorgegangen sei und große Risiken in der Finanzbranche dabei übersehen habe. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte als Konsequenz aus dem Bilanzskandal beim Zahlungsdienstleister Wirecard eine Reform der seinem Ministerium unterstellten Behörde angestoßen, bei der sie mehr Kompetenzen und Durchgriffsrechte erhalten sollte. BaFin-Chef Felix Hufeld wurde durch Branson abgelöst.

Der 52-Jährige verkörpere den Kulturwandel glaubhaft, sagte der Finanzexperte der Grünen im Europa-Parlament, Sven Giegold. „Eine schlagkräftige Finanzaufsicht muss sich aktiv einmischen und die Grenzen ihres Mandats ausreizen, anstatt sich hinter Paragrafen zu verstecken.“ Vor allem bei Finanzkriminalität und Geldwäsche müsse sie mehr Biss entwickeln. Das ist im Sinne des gebürtigen Briten Branson: „Wenn man wartet, bis man auch die letzte Information hat, ist man vielleicht zu spät dran“, warnte er. „Wir haben schließlich das Mandat, gegen Missstände zu wirken.“

Dafür brauche die BaFin Finanzexperten statt Juristen – sonst stehe Branson auf verlorenem Posten, sagte Bankenprofessor Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim der Nachrichtenagentur Reuters. „Diese Juristen-Kultur ist schwer zu knacken. Branson hat eine schwere Aufgabe.“ Branson will den Einsatz von Technik forcieren, um die BaFin schlagkräftiger zu machen. Die Behörde habe Nachholbedarf, was Effizienz angehe. „Es kommt darauf an, wie wir arbeiten.“ Die Aufseher sollen künftig alle Daten über ihre Banken digital auf einer Oberfläche zur Verfügung haben.

KULTURWANDEL STATT NEUER STRUKTUREN

Eine Umstrukturierung innerhalb der BaFin wäre nach Bransons Ansicht der falsche Weg. Wichtiger sei eine bessere Vernetzung der verschiedenen Aufsichtsbereiche, etwa der Bankenaufsicht mit der Geldwäsche-Kontrolle. Das gelte gerade für Großbanken. „Das lässt sich kulturell und nicht nur strukturell lösen“, sagte er. „Das braucht Zeit.“ 17 großen, komplexen Banken, Versicherern, Wertpapierhäusern und Zahlungsabwicklern schaut die BaFin mit einer „Fokusaufsicht“ auf die Finger – auch mit eigenem Personal vor Ort, wo sie sich bisher der Bundesbank bedienen musste.

Finanzstaatssekretär Jörg Kukies erklärte, zwei Drittel der Maßnahmen seien bereits umgesetzt. Von rund 150 neu geschaffenen Stellen seien 80 Prozent besetzt oder stünden kurz davor. „Die Modernisierung ist natürlich ein Langstreckenlauf. Aber wir sehen die ersten Erfolge.“ Banken-Professor Jan Pieter Krahnen von der Frankfurter Goethe-Universität sieht in der Abhängigkeit vom Finanzministerium eine der Wurzeln des Übels: „In der Praxis trifft man keine wichtige Entscheidung, ohne dass der Minister den Vorschlag gesehen hat.“ Besser wäre es, die BaFin durch den Bundestag kontrollieren zu lassen. Branson und Kukies betonten, operativ könne die Behörde völlig unabhängig agieren. „Aber wir haben natürlich eine Rechenschaftspflicht“, fügte Branson hinzu.

Im Zuge der Reform soll sich die BaFin ab 2022 zusätzlich um die Kontrolle der Bilanzen börsennotierter Unternehmen kümmern, mit der bisher die – als zahnlos wahrgenommene – „Bilanzpolizei“ DPR beauftragt war. Einschließlich des von der DPR übernommenen Personals sollen in dem Bereich 60 Wirtschaftsprüfer und andere Bilanzexperten arbeiten.


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