Finanzbranche

BdB: Gefahr von «Greenwashing» erkannt

Frankfurt am Main | 29.06.2022 | dpa

Die Finanzbranche nimmt die Herausforderungen des Klimawandels nach Einschätzung von Bankenpräsident Christian Sewing sehr ernst. «Die Finanzbranche setzt inzwischen viel Ressourcen dafür ein, genau darauf zu achten, dass das, was wir als grün bezeichnen, auch wirklich grün ist», sagte der Deutsche-Bank-Chef in seiner Funktion als Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Natürlich gebe es in einem sich entwickelnden Bereich wie ESG («Environment, Social, Governance», auf Deutsch: Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung), in dem die Standards noch nicht gesetzt seien, noch Unsicherheiten und Fragen. Aber: «Allen Marktteilnehmern ist bewusst, wie gefährlich Vorwürfe von Greenwashing sind», sagte Sewing.

Die EU-Kommission will eine Art Katalog für klimafreundliche Investitionen schaffen, die sogenannte Taxonomie. Die Brüsseler Behörde hat unter anderem vorgeschlagen, Investitionen in Gas und Atomkraft übergangsweise als nachhaltige Geldanlagen einzustufen. Doch dagegen regt sich Widerstand nicht nur von Umweltschützern.

«Bei der Taxonomie sollten wir uns möglichst schnell einigen und es bitte nicht zu kompliziert machen», mahnte Sewing. «Sie muss auf Prinzipien basieren und darf nicht alles im Detail regeln. Leider läuft Europa hier gerade Gefahr, dass die Regulierung die Feinsteuerung übernimmt.»

Sewing betonte: «Wir müssen den Unternehmen eine Transformation erlauben. Meine Sorge ist, dass einfach nur gesagt wird: «braun oder grün». Aber gerade der Weg von braun zu grün ist wichtig. Hier haben wir das größte Potenzial, CO2 zu vermeiden. Diese Transformation müssen wir finanzieren.» Dabei wäre es aus Sicht des BdB-Präsidenten «falsch, die Banken mit zusätzlichen Kapitalanforderungen zu bestrafen», wenn sie diesen Umbau der Wirtschaft finanzieren.

Für Europa sei der Kampf gegen den Klimawandel eine Chance, wieder in bestimmten Bereichen Technologieführer zu werden, sagte Sewing. Dafür brauche es aber gewaltige Investitionen. «Um das zu finanzieren, brauchen wir den europäischen Kapitalmarkt, um privates Kapital anzuziehen. Meine große Sorge ist: Wenn die Kapitalmarktunion nicht vollendet wird, wird der Green Deal nicht finanziert werden können.»

Bei der Kapitalmarktunion geht es im Kern darum, bürokratische Hürden zwischen den einzelnen EU-Staaten abzubauen, um Unternehmen mehr Möglichkeiten zu geben, sich Geld zu beschaffen. Verbraucher sollen zudem mehr Möglichkeiten für grenzüberschreitende Geldanlagen bekommen. Kredite und Finanzierungen werden in Europa – im Gegensatz zu den USA – hauptsächlich von Banken vergeben. Pläne der EU-Kommission für eine Kapitalmarktunion liegen seit September 2015 auf dem Tisch, doch die Umsetzung stockt.

«Die nächsten zehn Jahre sind entscheidend, wenn wir das Ziel der Klimaneutralität 2045/2050 erreichen wollen. Das bedeutet, wir müssen in den nächsten drei Jahren große Fortschritte machen – und die entsprechenden Investitionen ermöglichen», sagte Sewing. «Das ist durchaus möglich. Ich habe lange nicht mehr so eine Dynamik und so eine große Gesprächsbereitschaft hinsichtlich der Banken- und Kapitalmarktunion erlebt – in Deutschland wie auch in Europa. Deswegen bin ich weiterhin zuversichtlich, dass die Politik das schaffen kann.»

Gescheitert ist erst kürzlich wieder der Versuch, bei der seit Jahren diskutierten gemeinsamen europäischen Einlagensicherung Edis (European deposit insurance scheme) als dritte Säule der Bankenunion Fortschritte zu erzielen. Die Idee von Edis ist, Kundengelder über Grenzen hinweg abzusichern. Widerstände dagegen gibt es vor allem in Deutschland, wo es schon lange gut gefüllte Töpfe für den Notfall gibt. Sparkassen und Genossenschaftsbanken hierzulande befürchten, dass mit ihren Geldern Schieflagen von Instituten in anderen Staaten finanziert werden.

«Ich vertraue darauf, dass wir Kompromisse finden», sagte Sewing zum Thema Einlagensicherung. «Auch die Sparkassen und Genossenschaftsbanken profitieren von einem einheitlichen europäischen Markt.»


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